Am Tage meiner Abreise von Buxtehude, also am 16. Februar 2014, bin ich gegen 16 Uhr in Lille angekommen, wo ich das Hotel auf Anhieb fand. Eine nette Dame schwarzer Hautfarbe hat mich an der Rezeption begrüßt. Normalerweise ist es natürlich nicht wichtig, die Hautfarbe zu erwähnen; aber ich habe bemerkt, dass wohl sehr viele Menschen mit afrikanischen Wurzeln in Frankreich leben. Ihre Vorfahren stammten ja aus ehemaligen französischen Kolonien.
Am zweiten Tag habe ich Frankreich einmal von Norden nach Süden durchquert, und zwar ohne Navi. Die Beschilderung und das System der Abzweigungen an Autobahnkreuzen sind in Frankreich etwas anders als in Deutschland, aber leicht zu verstehen. Ich war überrascht, dass heutzutage die Maut fast überall mit der Karte bezahlt wird. Nur einmal auf der Reise hat ein netter Mann mir Bargeld abgenommen.
Ich bin um 19 Uhr in Blagnac angekommen. Die Vermieterin meines möblierten Zimmers, Frau X., und ihre Tochter haben mich freundlich begrüßt. Ich war erstaunt, dass die Wohnung recht groß ist und eine komplett ausgestattete Küche vorhanden ist.
Zuerst habe ich mich in Blagnac umgesehen, bin ins Stadtzentrum spaziert, wo sich das Rathaus, die Kirche St. Pierre und viele kleine Läden befinden. Mit der Straßenbahn habe ich u. a. den Parc du Ritouret neben dem Veranstaltungsgebäude Odyssud erreicht. Außerdem habe ich das größte Einkaufszentrum entdeckt, das ich je gesehen habe. Sehr beeindruckend!
Alle Menschen, die ich bisher getroffen habe, sind sehr nett. Der Empfang und das abendliche Treffen des AFA waren ganz toll; ich fühlte mich perfekt integriert. Die Verkäuferinnen und Verkäufer in den Läden Blagnacs bleiben stets gelassen; die Kunden im Supermarkt warten geduldig in der Schlange vor der Kasse.
Ich habe mich auch auf Entdeckungsreise in den hübschen „Vorort“ von Blagnac begeben: Toulouse. Der Sicherheitsstandard der U-Bahn hat mich beeindruckt. Überall gibt es Glasscheiben vor den Schienen. Wenn eine Bahn einfährt, öffnen sich die Türen des Bahnsteiges und die des Zuges gleichzeitig. Selbstmord (durch Springen vor einen einfahrenden Zug) ist somit ausgeschlossen. Ich erinnere mich daran, dass das Toulouser System der Entwertung der Fahrkarten schon in den Achtzigern in Paris üblich war: Das Schwarzfahren wäre nämlich vollkommen unmöglich.
Am Wochenende vom 8. auf den 9. März gab es auf den Straßen Blagnacs viele Staus, weil eine Autobahn wegen der aufwändigen Aufstellung einer Straßenbahnbrücke voll gesperrt werden musste. Viele Autofahrer haben mich nach dem Weg zum Flughafen gefragt. Ich habe ihnen die Geschichte von der Brücke erzählt. Und obwohl ich ihnen ja gar nicht helfen konnte, blieben sie gelassen und bedankten sich.
Neulich sprang mein Auto nicht an. Ein Mann von der RENAULT-Werkstatt Blagnac half mir schnell und unkompliziert. Beim Lesen der Rechnung stellte ich amüsiert fest, dass der Betrag nicht nur in Euro, sondern auch (wenn auch klein gedruckt) in Francs abgedruckt war.
Die französischen Autobahnen sind in gutem Zustand. Ich habe nur wenige Baustellen gesehen. Ich vermute, dass der größere Teil der Maut tatsächlich für die Instandsetzung der Autobahnen verwendet wird.
Also, meine ersten Wochen hier waren sehr angenehm. Kann es sein, dass das Savoir-Vivre der Franzosen mir geholfen hat, mich schnell einzuleben ?
Man entdeckt doch so manche Besonderheiten, wenn man täglich in Blagnac unterwegs ist. Es gibt hier mehr Kreisel als in Deutschland, aber wohl ebenso viele Autos auf den Straßen. Ich persönlich vermeide es im Allgemeinen, mich in Gegenden mit dichtem Straßenverkehr länger als nötig aufzuhalten. Ich erhole mich am besten in einem Park ohne Lärm. Aber unweit der Brücke „Pont de Blagnac“ sitzen viele Leute mittags und abends draußen neben einem Kreisel. Dort trinken sie vor dem Restaurant „La Récréation“ (dt.: die Pause, engl.: recreation = Erholung) ihren Kaffee. Der Verkehr stört sie offenbar nicht. Sie verbringen dort ihre Pause, reden und amüsieren sich.
Wenn man seine Einkäufe erledigt, entdeckt man, dass die Globalisierung natürlich auch vor Blagnac nicht halt gemacht hat. Es ist nicht verwunderlich, unter anderem H&M und C&A im Einkaufszentrum zu finden. Die Märkte der eigentlich deutschen Supermarkt-Discounter Aldi und Lidl findet man auch in mehreren Ländern. Eines Tages habe ich mir mal das Warensortiment von Lidl etwas genauer angesehen: Natürlich sind – wen wundert’s – viele französische und etliche internationale, so auch deutsche Produkte zu finden. Sie haben in der Regel französische Aufschriften, zum Beispiel der Multivitaminsaft („Multi-vitaminé), den ich von deutschen Lidl-Filialen kenne. Plötzlich entdeckte ich eine deutsche Aufschrift ohne Übersetzung: „Sprühfertige Schlagsahne“. Lidl hat immerhin ein kleines Schild hinzugefügt, das auf flüssige Sahne hindeutet. Und im Kleingedruckten auf der Flasche erfährt man etwas von Sahne unter Druck, und zwar in mehreren Sprachen, u.a. auf Französisch, aber nicht auf Englisch! Die genaue Übersetzung der deutschen Aufschrift ist jedoch nirgends zu finden. Obendrein wurde der Artikel offenbar in Belgien und nicht in Deutschland hergestellt. Später fand ich noch eine große Aufschrift auf einem chilenischen Rotwein – ebenfalls nur auf Deutsch. Im Kleingedruckten las ich allerdings einige Anregungen für seine Verwendung beim Kochen auf Französisch, Englisch, Holländisch und sogar Dänisch!
Halten wir fest: Die Globalisierung ist überall offensichtlich, sogar in Blagnac.
Ich bin Lehrer und vor allem Musiker. Deshalb sollte ich natürlich auch meine musikalischen Erlebnisse in Blagnac nicht unerwähnt lassen. Da ich mich sehr für Jazz interessiere und den musikalischen Klang der französischen Sprache sehr schätze, war es wie Liebe auf den ersten Blick, als ich die Chansons des Toulousers Claude Nougaro kennenlernte. Die Nougaro-Nacht im Odyssud in Blagnac im März war ein unvergessliches Erlebnis. Durch die musikalische Vielfalt des großen Meisters des Chanson lasse ich mich für meine eigenen Kompositionen inspirieren; meine französischen Texte werden von meinen Eindrücken von dieser Gegend Frankreichs handeln.
Meine Zusammenarbeit mit Calamity Jazz, einer Gruppe aus Toulouse, die sich auf den New-Orleans-Jazz der 20er und 30er Jahre spezialisiert hat, war eine sehr angenehme Erfahrung. Ich bin von den Mitgliedern des Orchesters bei einer Probe und bei zwei Konzerten in einem Restaurant in Toulouse und im „Petit Théâtre St Exupère in Blagnac gut aufgenommen worden. Ich bekam die Gelegenheit, ein Stück alleine vorzutragen und bei zwei Kompositionen ihres Repertoires mit ihnen zusammenzuspielen. Sie haben mir erklärt, dass sie aufgrund beruflicher und privater Verpflichtungen wenig Zeit zum Proben haben. Die einzige Probe, bei der ich das Vergnügen hatte, dabei zu sein, lief sehr diszipliniert ab. Und für so ein Jazzstandard wie „All Of Me“, das ich ihnen am Ende des Konzertes in Toulouse als Zugabe vorgeschlagen hatte, war gar keine Probe nötig! Also: Mit sehr erfahrenen Musikern wie den Mitgliedern von Calamity Jazz zu musizieren ist immer ein großes Vergnügen.
Das Thema dieser Woche ist die französische Sprache allgemein und einige erstaunliche Beobachtungen bezüglich der hiesigen französischen Umgangssprache.
Als Englischlehrer interessiere ich mich für Sprachen und ihre Beziehungen zueinander. Am Gymnasium in meiner Jugend mochte ich Latein sehr gerne, obwohl es heute nicht mehr gesprochen wird. Und nachdem ich angefangen hatte, Französisch zu lernen, faszinierten mich die Unterschiede und Ähnlichkeiten. Die Geschichte der Sprachen ist auch die Geschichte der Einflüsse einer Sprache auf eine andere. Es gibt viele französische Wörter im Deutschen. In der Vergangenheit sprach die Oberschicht in Deutschland französisch, um sich von den anderen Schichten abzuheben. Französisch war auch die Sprache der Normannen, die England 1066 eroberten. Zuerst war es dort die Sprache der Oberschicht, aber bis heute sind die französischen Wörter in das Englische integriert und bereichern es. Das Wort „liberté“ (= Freiheit) kann mit „freedom“ oder „liberty“ übersetzt werden, wenngleich sie nicht gegeneinander austauschbar sind. Und für „hour“ kenne ich kein anderes Wort. Der Einfluss des Französischen ist offensichtlich, weil in diesem Wort selbst im Englischen das h nicht gesprochen wird.
Was will ich damit sagen? Der Gebrauch fremdsprachiger Wörter schadet einer Sprache nicht, solange man die Erfindung sinnloser Begriffe wie „Service Point“ an deutschen Bahnhöfen unterlässt. Wenn der Gebrauch englischer Wörter das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung darstellt, ist es kein Problem. Wenn es gute deutsche Wörter gibt, bevorzuge ich sie. „Eine Datei herunterladen“ ist besser als „eine Datei downloaden“. Und im Französischen ? Der häufige Gebrauch des Wortes „week-end“ wundert mich. Nur einmal erhielt ich eine E-Mail, in der mir jemand ein „bonne fin de semaine“, also wörtlich übersetzt ein gutes Ende der Woche gewünscht hat. Und was ist mit „Bon samedimanche“ ? Das wäre eine Kombination aus „samedi“ (=Samstag) und „dimanche“ (=Sonntag), die ich vorschlagen würde, um das so genannte „Franglais“, eine Art Französisch mit zu vielen englischen Begriffen, zu vermeiden.
Übrigens habe ich das Wörterbuch „Petit dico franglais-français“ (First Editions) gekauft, das ich allen Freunden der französischen Sprache empfehlen würde. Ich finde den Absatz über den „Hot Dog“ sehr witzig.
In dieser Woche geht es auch um Sprachen. Was stellt man fest, wenn man täglich auf den Straßen von Blagnac und Toulouse unterwegs ist?
Die Umgangssprache ist hier überall Französisch. Das ist nicht verwunderlich. Leute, die arabisch sprechen, sind in der Öffentlichkeit selten anzutreffen. Offenbar ist Französisch die Sprache fast aller hier lebenden Menschen. Es heißt aber, dass es wie in Deutschland muslimische Frauen gibt, die sehr isoliert leben; diese sprechen nur arabisch. Man trifft auch Deutsche und Engländer, die hier arbeiten. In mehreren Ländern haben die Ferien angefangen; vor allem in Toulouse hört man einige Fremdsprachen. Im März habe ich in der Nähe der „Pont Neuf“ in Toulouse einen Studenten aus Bayern als solchen identifiziert. Er fragte mich „PaRRRlez-vous anglais?“ (=“Sprechen Sie englisch“?), woraufhin ich erwiderte: „Sie können auch deutsch mit mir reden“. Er war überrascht, aber sein bayerischer Akzent war deutlich herauszuhören. Unweit des Einkaufszentrums von Blagnac fragte mich ein englisches Paar auf Englisch (natürlich!) „Excuse me, sir! Are there any shops around here ?“ (= „Entschuldigen Sie bitte, gibt es hier in der Nähe irgendwelche Läden?“). Diese Engländer hatten das Glück jemanden zu finden, der auch gerne englisch spricht.
Persönlich reizt mich die Idee, wenigstens ein paar Ausdrücke und Sätze einer Sprache eines Landes zu lernen, in das ich reise. Meiner Meinung nach kann das ein Beitrag jedes Einzelnen zur europäischen Einigung sein.
God dag ! (So wünscht man sich auf Dänisch einen guten Tag.)
Nach den Osterferien geht es auch wieder um das Leben in Deutschland und Frankreich. Verschiedene Aspekte mit geringfügigeren Unterschieden zwischen den beiden Ländern werden beleuchtet.
Ich halte es für sehr wichtig, dass auf dem Gebiet der Gesundheit die gleichen Ziele verfolgt werden. Ich bin sehr froh, dass das Rauchen in Cafés und Restaurants verboten ist; die Gesetze der beiden Länder sind offenbar sehr ähnlich. Die Sprüche, die auf Zigarettenschachteln in Frankreich stehen, sind sogar ein wenig drastischer: „Fumer tue“, also „Rauchen tötet.“ Auf der anderen Seite findet man den Spruch „Rauchen kann tödlich sein“ auf vielen deutschen Schachteln. Eine bekannte Fast-Food-Kette rät den Franzosen: „Vermeiden Sie es im Interesse Ihrer Gesundheit, sich zu fett, zu süß und zu salzhaltig zu ernähren.“ Das ist eine gute Idee, aber ich glaube nicht, dass diese Sätze vor allem Jüngere daran hindern, ihrer Gesundheit zu schaden. Auf der anderen Seite gibt es eine große Auswahl an Bio-Lebensmitteln in beiden Ländern. Diese Produkte werden immer mehr gekauft.
Das Verhalten der jungen Leute in Frankreich und Deutschland scheint mir sehr ähnlich zu sein. Die Mofafahrer fahren selbst in der Innenstadt sehr schnell und vergessen offenbar, dass sie nur ein Leben haben. Überall sieht man viele Leute, die sich mit ihren Smartphones beschäftigen, was ihre Aufmerksamkeit auf der Straße einschränkt. Sie finden es wichtig, die gleichen Sachen zu besitzen wie ihre Freunde und das Gleiche wie sie zu tun. Aber im Allgemeinen ist das überall normal, weil es für die persönliche Entwicklung unumgänglich ist. Sie hören die gleiche Musik: Französischer Hip-Hop ist nicht völlig anders als deutscher, weil beide in der Tat nur Nachahmungen des amerikanischen Hip-Hop sind.
Ich meine, dass unter anderem auch die Globalisierung für eine gewisse Angleichung der Lebensstile verantwortlich ist. Aber es wird irgendwann eine Zeit kommen, in der sich viele Menschen nach einigen verlorenen Traditionen sehnen werden.
Ich habe für meine Reise nach Blagnac das Auto genommen. Meiner Ansicht nach ist das Auto ein Gebrauchsgegenstand. Ich hatte viele Sachen mitzunehmen. Deshalb bin ich nicht mit dem Flugzeug gekommen. Es wird gesagt, für die Deutschen sei das Auto eher ein Statussymbol. Dagegen verwenden die Franzosen es vor allem als Gebrauchsgegenstand. Für die jungen Leute in Deutschland ist das Auto wie für die jungen Franzosen weniger wichtig geworden. Man nimmt noch eine kleine Angleichung der Länder wahr. In der Vergangenheit gab es ein Vorurteil in Deutschland, dass es nicht üblich sei, nach einem weniger schweren Unfall Schäden wie zum Beispiel eine Beule zu reparieren. Und zum Einparken war es (angeblich) „erlaubt“, ein anderes Auto mit der Stoßstange anzuschieben. Jetzt gibt es sehr viele neue Autos ohne Schäden, denn die Autofahrer erhalten viel Geld vom Staat, wenn sie ihr altes gegen ein neues austauschen. Im Allgemeinen sind die Deutschen dafür bekannt, dass sie ihre Autos oft sorgfältig pflegen; allerdings ist die Autowäsche auf der Straße schon lange nicht mehr erlaubt. Manchmal sieht man auch in Frankreich Leute, die ihr Auto wie die Deutschen mit Hingabe pflegen.
Nun, Autoliebhaber gibt es überall. Ich habe schon Oldtimer-Präsentationen in Deutschland gesehen. Am Tage der Feier anlässlich des Sieges der Alliierten über Nazideutschland war ich aber überrascht, als ich zahlreiche VW-Käfer vor meiner Wohnung vorbeifahren sah. In der Tat fand im „Parc des Ramiers“ in Blagnac ein Oldtimer-Treffen mit VW-Käfern und anderen Fahrzeugen statt.
Ich koche gerne, was in der Küche meiner Wohnung in Blagnac auch gut umzusetzen ist. Jedoch ist es immer auch interessant, die französische Küche kennenzulernen. Deshalb besuche ich manchmal auch französische Restaurants, wenn ich zu faul bin, mir selber etwas zu essen zu machen. Vor meinem Aufenthalt in Frankreich habe ich mich gut informiert, was hier üblich ist, wenn man ausgeht. Im Internet sind sehr viele Informationen für Touristen in Frankreich zu finden. Leider gibt es immer auch Deutsche, die nicht respektieren, was anders ist als in Deutschland. Sie wissen beispielsweise nicht, dass ihnen im Restaurant vom Kellner ein Tisch zugewiesen wird. Wenn ich ein Land besuche, sind es gerade die unbekannten Bräuche, die mich interessieren. Für einen Restaurantbesuch benötigt man ausreichend Zeit, weil es üblich ist, einen Aperitif zu bestellen, bevor man etwas zu essen bestellt, was in der Regel ein komplettes Menü mit Vor- und Nachspeise bedeutet. Obendrein ist es ratsam, einen anschließenden Kaffee nicht abzulehnen. Wenn man nicht zu viel essen möchte, kann man manchmal zwischen einer Kombination aus Vorspeise und Hauptgericht oder aus Hauptgericht und Nachspeise wählen. Ich meine, dass diese kleine Änderung der Tradition eine Folge der wirtschaftlichen Situation sein dürfte. So können sich mehr Leute leisten essen zu gehen, weil es insgesamt so nicht so teuer wird.
Ich habe mich an viele Bräuche leicht gewöhnt, da ich sie durchaus auch nach meinem Aufenthalt bevorzugen würde. In Frankreich essen zu gehen – das ist mehr als etwas zu essen und zu trinken, das ist sozusagen die „Feier des Augenblicks“. Ich habe die entspannte Atmosphäre beim Ausflug des Amicale Franco Allemande am letzten Sonnabend, dem 17. Mai sehr zu schätzen gewusst.
„Wenn ich heute in einem Gesicht ein Lächeln erzeugen kann, nehme ich an, nicht nutzlos gewesen zu sein.“ Dieser Satz kann das Motto jedes Tages sein. Ein Lächeln zu erzeugen muss nicht unbedingt schwer sein. Hier bedankt man sich beim Busfahrer beim Aussteigen. So wertschätzt man seine Leistung. Freunde begrüßen sich nett mit einem Wangenkuss. Normalerweise macht Geld nicht glücklich; aber ich habe die leuchtenden Augen eines Penners gesehen, nachdem er neben einer Bäckerei in Blagnac einen Euro bekommen hat.
Am Nachmittag des Himmelfahrtstages bin ich nach Toulouse gefahren, um das Augustiner-Museum zu besichtigen. Anschließend bemerkte ich eine Gruppe von Leuten in der Straße „Rue du Languedoc“. Offensichtlich war es ein Schweigemarsch. Ein Polizist sagte mir, aus welchem Anlass er stattfand: Ein junger Mann war vor zwei Wochen am Ende einer Geburtstagsfeier in Toulouse getötet worden. Der Marsch endete vor dem Rathaus, dem „Capitole“. Transparente wurden an den Wänden des „Capitole“ befestigt: „Eine Petition, damit Gerechtigkeit geübt werde. Man muss gegen die Unsicherheit in Toulouse kämpfen …. Können wir ausgehen, ohne zu riskieren zu sterben?! …. Licht in die Umstände des sinnlosen Todes des jungen Mannes, Alter 21 Jahre!“ Es gab eine Liste zum Unterschreiben einer Petition. Auf den T-Shirts der Teilnehmer des Schweigemarsches waren ein Foto des Opfers zu sehen und der folgende Satz zu lesen: „Wenn ich heute in einem Gesicht ein Lächeln erzeugen kann, nehme ich an, nicht nutzlos gewesen zu sein.“ In diesem Falle ist es zweifellos weniger leicht, ein Lächeln zu erzeugen. Bei diesem Schweigemarsch war der Satz als Appell gegen Gewalt zu verstehen.
Man kann über das Wetter reden. Aber es nützt nichts, sich darüber zu beklagen, weil man es ja nicht ändern kann. In der Tat wechselt es hier häufiger, als ich erwartet hatte. Aber das macht nichts. Man kann immer etwas tun, wenn es regnet. Ich schreibe gerne Texte über das Thema „Carpe Diem“, was im Prinzip so viel heißt wie „Nutze den Tag, ohne dir über den folgenden Tag Sorgen zu machen“. Der amerikanische Theologe Reinhold Niebuhr ist offenbar der Autor der folgenden Worte, die mich zu dem Lied „Ändere, was du ändern kannst“ inspiriert haben:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Jeder ist der Regisseur seines Lebens. Jeder kann etwas in seiner Biographie verändern, wenn er möchte, aber er muss es nicht. Das war meine Devise für meinen Aufenthalt, der sich schon bald dem Ende nähert. Ich mache gerne unerwartete Dinge: Ich bin Englischlehrer, der sich aber gerade nicht in Australien, Amerika oder Großbritannien aufhält. Merkwürdig, nicht? Ich bereue jedoch nichts, weil meine Eindrücke in Frankreich unvergesslich sind: Die Treffen mit dem Amicale, mit der Gruppe „Calamity Jazz“ und aktuell der Besuch des „Lycée Saint Exupéry“, also der Partnerschule des Gymnasiums Süd in Buxtehude. An ruhigen Tagen komponiere ich mithilfe meines speziellen Notenprogrammes. Insgesamt ist mein Aufenthalt eben sehr persönlich; das heißt, dass einen großen Teil dessen, was ich hier gemacht habe, wohl niemand sonst so gemacht hätte. Meiner Meinung nach ist die Lebenskunst vor allem die Verwirklichung der obigen Worte Reinhold Niebuhrs.
„Im Interesse Ihrer Gesundheit bewegen Sie sich mehr!“ – Das ist ein Satz aus der Werbung, den ich jeden Tag im Radio höre. In der Tat gibt es in der Toulouser Gegend viele Vereine unterschiedlichster Sportarten. Ich bin überrascht, dass besonders Rugby hier sehr beliebt ist. Das erinnert mich ein wenig an meinen Aufenthalt von 1981 bis 1982 in Kingston upon Hull in England, dem Rugby-Ursprungsland. Darüber hinaus sieht man viele Leute, die auf der Straße joggen, selbst wenn es regnet oder kalt ist. Aber das ist nicht wirklich anders als in Deutschland. Ich schwimme gerne; deshalb besuche ich recht häufig das „Ramiers“-Schwimmbad. Über die Eröffnung des (Sportbeckens des) Freibades am 2. Juni habe ich mich gefreut. Jedoch bin ich ein wenig erstaunt, dass selbst nach 17 Uhr wenig los ist, obwohl doch der Aufenthalt in einem Becken auch erfrischend ist.
Seit Donnerstag, dem 12. Juni versammeln sich Fußballbegeisterte wieder vor den Fernsehern entweder daheim oder in Gaststätten vor Großbildleinwänden in Frankreich, in Deutschland (unter dem Stichwort „Public Viewing“) und anderswo. In Brasilien findet die Fußball-Weltmeiserschaft statt. In Frankreich sieht man den Spielen der französischen „Équipe tricolore“ entgegen; in Deutschland gilt das Interesse der Mannschaft von Jogi Löw. Für das Finale Deutschland gegen Frankreich mache ich folgenden Vorschlag: Nach jedem Tor, sei es für die Franzosen oder für die Deutschen, stehen alle auf, um eine Minute lang Gymnastik zu machen. Warum? Nun, nicht vergessen: „Im Interesse Ihrer Gesundheit bewegen Sie sich mehr!“
„Betrachten wir lieber alles das, was wir haben, statt dem nachzutrauern, was wir verloren haben oder was uns fehlt.“ Das Thema des letzten Textes der Chronik ist dieser wichtige Satz eines Kommentares, dessen Autorin ich danke. Ich habe gerade in meiner Wohnung mit einem Reporter der hiesigen Tageszeitung „La Dépêche“ gesprochen. Ich war gut vorbereitet mit einigen Notizen über alles, was ich gemacht habe, und alle Personen, die ich getroffen habe, vor allem die Mitglieder des „Amicale“ – auch, um Freundschaft zu schließen. Es gibt zwar auch Leute, denen ich nicht habe begegnen können; und es gibt freilich auch Dinge, die nicht möglich waren. Das sind jedoch Tatsachen, die man vollkommen außer Acht lassen kann.
Man möge sich den Élisée-Vertrag ins Gedächtnis rufen, um zu verstehen, was zwischen Frankreich und Deutschland seit vielen Jahren möglich ist: Die deutsch-französische Freundschaft, die in Städtepartnerschaften wie der zwischen Blagnac und Buxtehude gepflegt wird. Zwischen den beiden Ländern mag es noch Vorurteile geben. Allerdings wird man sie immer vernachlässigen können, wenn man an die deutsch-französische Geschichte vor dem Bekenntnis Charles de Gaulles und Konrad Adeneuers zur deutsch-französischen Freundschaft denkt.
Es wird immer Menschen geben, die sich häufig beschweren. Ich würde ihnen die Lektüre des deutschen Buches mit dem ironischen Titel „Früher war alles besser“ empfehlen. Die Autoren stellen fest, dass sich die Lebensqualität seit dem 2. Weltkrieg zumindest in Europa stark verbessert hat: Die Lebenserwartung ist gestiegen. Die Kindersterblichkeit ist gesunken. Es gibt überall weniger Analphabeten. Die Anzahl an Demokratien hat sich verdreifacht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Armut weltweit stärker zurückgegangen als in 500 Jahren zuvor.
Trotz der Probleme vor allem in von Kriegen betroffenen Ländern: Seien wir dankbar für alles, was der Mensch schon erreicht hat – in Deutschland, in Frankreich und in der ganzen Welt.
Sich mit Menschen, die aus einer anderen Kultur stammen unterhalten zu können, erweitert den eigenen Horizont…
Ja, das stimmt! Dem ist nichts hinzuzufügen außer, dass ich mich am Ende meines Aufenthaltes in Blagnac ganz herzlich für den freundschaftlichen Kontakt bedanken möchte, der es mir leicht gemacht hat, die Kultur und Lebensart der Menschen hier kennen und schätzen zu lernen!
“Das Schicksal ist keine Frage des Zufalls; es ist eine Sache der persönlichen Entscheidung. Es ist nicht etwas, das einen erwartet, sondern etwas, das man selbst erschafft.”
William Jennings Bryan
Bravo en tous cas pour ton implication dans la vie de l’Amicale et pour tous tes efforts pour t’adapter et pour partager avec nous la culture allemande, des moments conviviaux et d’agréables parenthèses musicales.
Bon vent pour la suite et à très bientôt, à Blagnac ou à Buxtehude…